Modernes Holzspalier

Kaum zu glauben, dass Architekten vom Stil der „Moderne“ auch mal ein Holzspalier planen!

 

Seit der Bauhaus-Epoche (ca. 1920) waren Ornamente, Grünzeug und Spaliere eigentlich verpönt. Erst seit einigen Jahren kommt mit Schlagwörtern wie „Urban Greening“ („Städtisches Grün) auch hie und da wieder Fassadenbegrünung ins Spiel, nachdem begrünte Dächer längst üblich sind.

Eine Ausnahme jener tristen Epoche ist ein Haus im Süden Münchens. Dafür entwarf der Architekt Werner Wirsing, bekannt für viele studentische Wohnanlagen in Bayern, eine Rankhilfe. Werner Wirsing ist inzwischen 97 Jahre, das Spalier entwarf er 1986 mit 67, es ist sozusagen ein „Spätwerk“. Der Bauherr stammte aus seinem Bekanntenkreis und wollte die Fassade des schon vorhandenen Gebäudes gern schöner gestaltet und „grün“ haben. Und noch heute, 2016, ist jenes Haus mit verschiedensten Kletterpflanzen begrünt, die an Seilen, an einer Pergola und eben an jenem Holzspalier wachsen.

Werner Wirsing, der Architekt, hat das Thema „Rankhilfen“ damals akribisch bearbeitet, wie seine Skizzen zeigen. Für das Holzspalier an der Straßenseite (Osten) fertigte er verschiedene Raster-Studien. Ausgeführt wurde dann ein Entwurf mit wechselnden Rastern, welcher der Fassade ein besonderes Gesicht verleiht. Es wurde astfreie Hemlocktanne mit Querschnitt 30 x 30 mm gewählt, die scharfen Kanten der Spalierstäbe wurden vom Bauherrn und seinen zwei Söhnen mit Schleifpapier leicht abgerundet bzw. gebrochen. Das war nötig, um der gefürchteten „Kantenflucht“ beim Aufbringen des Anstriches vorzubeugen. Die Stäbe wurden vor der Montage grundiert und mit weißem Alkydharzlack 3-fach lackiert, auch an den Stirnseiten. Und der Anstrich hält bis heute! Die Wandbefestigung erfolgte mit Schrauben in Rohrhülsen, die ins Holz gebohrten Löcher wurden mit Pfropfen geschlossen und überstrichen. Alle Stäbe befinden sich in einer Ebene vor der Wand, die Verbindungen übernahmen 220 Edelstahlwinkel in L-Form, T-Form oder Kreuzform, rückseitig angeschraubt. Die Elemente wurden am Boden von einem Schreiner vormontiert und dann an die Fassade geschraubt. Die Zeichnungen zu allen Konstruktionsdetails hatte ebenfalls der Architekt Werner Wirsing gefertigt, s. Fotos. Es war ein sehr aufwändiges Projekt, das seine Nachhaltigkeit bewiesen hat!

An die fertig montierte Rankhilfe wurden rote Kletterrosen der damals sehr beliebten Sorte „Paul´s Scarlet Climber“ gesetzt. Sie blühen immer noch, aber nur einmal pro Jahr, von Mitte Mai bis Mitte Juli. Das Laub bleibt sehr gesund, was an einer heißen Südwand vielleicht nicht der Fall wäre. Den Winter über bleibt das Laub haften, wird dabei braun und dann im Frühjahr beim Rosenschnitt entfernt.

Der Münchener Verein „GreenCity“ – ein Pendant zum Leipziger „Ökolöwen“ – führt manchmal Bürger oder Journalisten zu dem Anwesen, und dann wird gemeinsam mit dem inzwischen 75-jährigen Bauherren über Kletterpflanzen gefachsimpelt…

 

Nachtrag: Der Architekt Werner Wirsing ist am 29. Juli 2017 im Alter von 98 Jahren verstorben.

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Das moderne, von einem Architekten entworfenes Holzspalier. Foto: privat

Das moderne Rankgitter aus Holz nach der Rosenblüte. Foto: Wolfgang Heidenreich

Die Hausbegrünung erstreckt sich auch auf andere Wände, hier wächst ein Efeu und wird regelmäßig geschnitten. Foto: privat

Das Rosenspalier zur Blütezeit. Foto: privat

Finaler Entwurf für das Holzspalier an der Fassade, Werner Wirsing, 1986