Glück auf - der Statiker kommt!

Es gab eine naiv-jungfräuliche Zeit ohne ihn, doch dann wurde alles anders.

 

Ich weiß nicht, ob unserem Statiker dieser abgewandelte Bergmanns-Spruch zusagt. Aber ich weiß, dass sein Auftreten auf der Baustelle eine Zäsur war. Und ich weiß, dass er ein wirklich guter Statiker ist, den ich sofort empfehlen kann. Aber beginnen wir von vorn.

Uns, das heißt meiner Frau, mir und der Architektin war klar, dass der Hof sehr sanierungsbedürftig ist. Die Folge war, dass der erste Baubschnitt nur "Sicherung" heißen sollte, also kein Umbau, keine Sanierung, keine neuen Grundrisse, Fenster usw., keine Produktionshalle für Rankhilfen. Lange vor dem Kauf haben wir dann mal gemeinsam überlegt, wieviel Geld wir bräuchten, um alle Gebäude soweit zu sichern, dass sie in ihrem Bestand nicht mehr gefährdet sind und der weitere Verfall gestoppt ist. Ich sagte: 150.000 Euro? Und die Planerin sagte, ja, das sollte reichen, so nach grobem Augenmaß. Sicherheitshalber habe ich mit der Bank dann doch ein Finanzierungspaket über 200.000 Euro geschnürt.

Schwerpunkt der Sicherung würde die große Scheune werden, auch das war uns klar. Nach allen Bauernhöfen, die wir früher mal im Auge hatten, war diese Scheune für mich bzw. die Firma ein großes Geschenk: 500 Quadratmeter Grundfläche unten, und noch mal 500 qm Grundfläche im Obergeschoss. Mit ihrer gewaltigen Kubatur hatte die Scheune das Zeug dazu, das Herz des Hofes zu werden!

Leider war sie sehr, sehr kaputt, besonders im Westteil. Ein Nachbar hatte mich kurz nach dem Kauf des Hofes gefragt, ob er Brennholz bekommen könne, wenn die Scheune dann abgerissen wird... Viele im Dorf waren überzeugt, dass dieses wuchtige, ortsbildprägende Gebäude nicht mehr zu retten war und früher oder später weichen müsse. Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, ein entsprechendes Gutachten zu bekommen, was die Unausweichlichkeit bestätigt und damit auch den Denkmalschutz ausgehebelt hätte. Es gab ziemlich dolle Risse, aber unsere Architektin war optimistisch: Das wird "genadelt"! Ich hatte so eine Vorstellung von Risse mit Nadeln oder Klammern überbrücken, dann mit Mörtel ausschmieren, trocknen lassen und dann Risse weg und alles gut.

Eine Zeitlang hatten wir dann noch überlegt, nur den lädierten Westteil abzureißen und die Grundfläche somit auf ca. 400 qm zu verkleinern. Dann hätten wir auch einen schöneren Zugang zum hinter der Scheune liegenden Garten gehabt. Die Architektin rechnete jedoch vor, dass ein solcher Teil-Abriß kompliziert und teuer wäre, eine neue Giebelwand nebst Fundament wäre nötig usw.. Beide Varianten, Teil-Abriß oder Sicherung, wurden von ihr mit ca. 75.000 Euro veranschlagt, und so entschieden wir uns doch für den Erhalt. Zudem gab es die vage Vorstellung, dass genau dieser Scheunenteil mal unser Alterssitz werden könnte, mit ebenerdigem Zugang zum Garten usw.. Jedenfalls starteten wir die Bauarbeiten zur Sanierung.

Und dann kam der Statiker und wurde auch vertraglich gebunden. Ich glaube, die Baufirma hatte ihn gerufen, indem sie "Bedenken" angemeldet hatte. Der Statiker ging sehr präzise vor, ließ alle Verformungen des Gebäudes messen und stellte fest, dass er eine so dünnwandige, "gakelige" Scheune noch nie gesehen hätte. Die Wände waren z. T. 15 - 20 cm "ausgebaucht", die zu DDR-Zeiten eingezogene Decke war nicht mit den Außenwänden verankert, sondern stand wie eine riesengroße, wackelige Tischtennisplatte zwischen den Außenmauern. Kurzum, es war eigentlich ein Rätsel, weshalb die Scheune überhaupt noch stand und nicht längst zusamengefallen war.

Sein Konzept sah schließlich vor, den Westgiebel mit neuen Pfeilervorlagen auszusteifen und daran eine gewaltige, raumbildende Holzkonstruktion zu befestigen, auch Teile der Dachkonstruktion sollten verstärkt werden. Des weiteren sollten durch viele "Anker" Außenmauern, Decke und Holztragwerk verbunden werden. Und auf diese Weise wurde dann tatsächlich alles miteinander verspannt und verzurrt, so dass auch bei Sturm nichts mehr wackeln kann. Die Idee, die Scheune durch "Nadeln" zu stabilisieren, erweis sich leider als sehr naiv.

Nun, die Arbeiten blieben finanziell so halbwegs im Rahmen, aber spätestens im Herbst 2015 wurde dann klar, dass für einen vom Statiker zu unterschreibenden positiven Bericht auch der zweite, also der Ostgiebel in ähnlicher Form bearbeitet werden müsste. Damit drohten die Kosten sich zu verdoppeln, aber das ist dann schon ein neues Kapitel.

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Provisorische Stützen am stark zerstörten Westteil der Scheune

Leipzig, Brandiser Straße 69, Luftbild mit Hof und Scheune, unten rechts die Dorfstraße. Rot umrandet der Westgiebel der Scheune. Foto: Benjamin Fritsche

Zustand im Inneren des Westteiles der Scheune vor der Sicherung

Stand Anfang August 2015: Dach offen, Decke weg, neu gemauerte "Pfeiler-Vorlagen" aus roten Steinen

Stand Ende August 2015: Die Pfeilervorlagen sind weiter gewachsen, die neue, aussteifende Holzkonstruktion wird an ihnen befestigt.

Geschafft: Ende 2015 ist der Westteil der Scheune wieder geschlossen und standsicher!